Beate Hansen Dialog

Texte

Thema: "Annäherungen an einen Dialog über den Fluss, das Fließen, das Leben am Fluss"

Sina Herrmann und Jeanne Valérie Beckmann

In dem Gemeinschaftsprojekt „Annäherungen an einen Dialog über den Fluss, das Fließen und das Leben am Fluss“ der Künstlerinnen Gabriele Freudenreich und Beate Hansen verschränken sich zwei kontrastreiche Arbeitsweisen, die miteinander in einen mitreißenden und wechselseitigen Dialog treten.
Die 1963 in Ulm geborene Künstlerin Gabriele Freudenreich studierte an der Kunstakademie in München und an der VdK in Berlin. Seit 1998 lebt und arbeitet sie in Wien. Seit 1992 nimmt sie regelmäßig an Gruppen- und Einzelausstellungen in Deutschland, Österreich und Finnland teil. Ihre Werke sind in der Niederösterreichischen Landesregierung, dem Österreichischen Bundeskanzleramt sowie dem Kunstmuseum der Stadt Helsinki vertreten. Während ihre früheren Arbeiten eher im konzeptionellen Umfeld anzusiedeln sind und sich in großen Teilen auf den Kunstkontext beziehen, treten die heutigen Arbeiten in einen direkten Dialog mit dem Leben sowie dem verwendeten Medium, wie etwa Bücher, Rauminstallationen mit Audioton, Video, Performance oder Zeichnungen. Die Medien beziehen sich dabei stets auf die Form, den Inhalt und die Funktion ihres Umfelds. Im Wesentlichen kreisen ihre Arbeiten um die Wahrnehmung der vergehenden Zeit infolge von Veränderungen durch wechselseitige Dynamik.
Die Düsseldorfer Künstlerin Beate Hansen arbeitet vorwiegend mit einer konkreten Formensprache, die sich in Zeichnungen sowie raumbezogenen Skulpturen und Malereien manifestiert. Hierbei ist das Kanalisieren und Steuern von Zuständen Urgrund für ihre Kunst. 1957 in Wuppertal geboren, lebt und arbeitet sie heute als freischaffende Künstlerin in Düsseldorf. Nach ihrem Studium der Freien Kunst und Plastik an der Fachhochschule Hannover mit Studienaufenthalten in Österreich und Frankreich nahm sie an zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen in Deutschland teil. Ihre bildnerische Sprache baut sich auf der Speicherung in der Natur gesehener Formen auf, die durch größtmögliche Reduktion, zu einer konkreten Formensprache überführt wird, welche jeglichen persönlichen Bezug aus den Werken eliminiert. Hierbei verwendet sie neutrale Materialien wie Gips und Papier. Die Formen werden von jeglicher emotionalen Nuance befreit, indem sie konsequent durchgearbeitet werden, wobei es Hansen gelingt Räume der Stille und Konzentration zu schaffen. Die persönliche Erfahrung des Betrachters, die nur durch intensives und konzentriertes Betrachten erlangt werden kann, steht im Mittelpunkt der Arbeiten.
Auch wenn die Arbeiten von Gabriele Freudenreich und Beate Hansen formal deutliche Unterschiede aufweisen, ist den beiden Künstlerinnen gemeinsam, dass sie in ihren Arbeiten oftmals einen starken ortspezifischen Bezug herstellen, indem sie sich auf architektonische Gegebenheiten, Einschnitte und Materialverwandtschaften beziehen.
In der Thematisierung der für Wien und Düsseldorf ortspezifischen Flüsse Rhein und Donau kommt die ortsbezogene Arbeitsweise des neuen Projekts der beiden Künstlerinnen zum Ausdruck. Seit August 2015 verfolgen die Künstlerinnen mit „Annäherungen an einen Dialog über den Fluss, das Fließen und das Leben am Fluss“ ein gemeinsames Projekt, das auf einem dialogischen Prinzip beruht. Die Idee, die unterschiedlichen Arbeitsweisen miteinander zu verschränken, entwickelte sich im Rahmen einer Stipendiaten-Ausstellungen in Grimma und Leipzig (Mai 2014) und wurde durch die Teilnahme beider Künstlerinnen an den Kunstpunkten im August 2015 in Düsseldorf bestärkt.
Der gegenseitige Austausch der Künstlerinnen zeigt sich auch in den für die Arbeiten elementaren Flüssen Rhein und Donau. So speiste der Rhein vor tausenden von Jahren die Donau mit Wasser, bis der Schwarzwald sich erhob. Heute wird versickertes Wasser aus dem Oberlauf der Donau durch karstiges Höhlengestein geleitet und gelangt über die Aach in den Rhein. Zwei scheinbar nicht zusammenhängende Flüsse treten in den Austausch miteinander. Dieses natürliche Phänomen stellt eine Parallele zu dem geistigen, dialogischen Austausch der Künstlerinnen dar, welchen sie trotz ihrer verschiedenen künstlerischen Ausdrucksweisen und trotz der örtlichen Trennung, durch ihr Projekt „Annäherungen an einen Dialog über den Fluss, das Fließen, das Leben am Fluss“ dem Betrachter gegenüber visualisieren.
Hierbei ist neben der konkreten Thematisierung der Flüsse auch die Flussthematik im erweiterten Sinne gemeint: Gedankenströme kommen im Dialog zusammen, beeinflussen einander und entwickeln ihre eigene dynamische Energie. Wie die Arme eines Flusses entstehen neue Ideen, die stetig fortgesetzt werden und neue Wege bahnen.
Neben Texten und Fotografien in Brief- und E-Mail-Form, in denen persönliche Eindrücke und Informationen vermittelt werden, manifestiert sich der Dialog in Form von Zeichnungen, die zum fortwährenden Weiterbearbeiten auf postalischem Weg vom Sender an den Empfänger zugesandt werden und anschließend fortgeführt werden. Durch die gezielte Entschleunigung und Negation der direkten Kommunikation, wird ein konzentrierter und damit fruchtbarer Dialog gewährleistet. In einer Welt, in der der Mensch permanent dem Internet und den neuen Medien ausgesetzt ist, besteht das erklärte Ziel der Künstlerinnen darin, die Bilderflut zu umgehen.
Die künstlerisch hervorgebrachten Ergebnisse wurden im Rahmen der Kunstpunkte in Wien erstmalig erfahrbar gemacht. Neben den Zeichnungen, wurden auch die Dokumente des Austausches, wie die Briefe etc. gezeigt, was die gleichwertige Gewichtung des Arbeitsprozesses und des finalen Kunstwerkes betont.

Sina Herrmann und Jeanne Valérie Beckmann