Beate Hansen Kunstverein Kaponier

Texte

Ausstellung im Kunstverein „Kaponier e.V.“, Vechta vom 06.02.-01.03.1998

Annette Angermann, Dipl. Kulturpädagogin und Malerin, Hildesheim - Eröffnungsrede

Als ich das erste Mal die Künstlerin Beate Hansen in ihrem Atelier in Krefeld besuchte, zeigte sie mir ihre Plastiken und Zeichnungen. Ich merkte gleich, daß hier nicht ein flüchtiger, schneller Blick genügt, um die Arbeiten zu erfassen, sondern daß ich sehr gefordert war. Die Arbeiten forderten Zeit, Konzentration und Aufmerksamkeit. Ich ertappte mich dabei, die Objekte und Zeichnungen mit der geometrischen Abstraktion der Bauhaus-Künstler zu vergleichen, um sie möglichst schnell einzuordnen, aber merkte bald, daß es nicht paßte. Im Gespräch mit der Künstlerin und mit der Zeit entdeckte ich immer mehr Facetten an den Arbeiten, erkannte allmählich, wie viele, subtile Möglichkeiten die Künstlerin gefunden hatte, Stimmungen auszudrücken. Ausgangspunkt für die Plastiken bilden rechteckige Quader aus grauem Gips. Der Ausdruck ergibt sich nun aus der Oberflächengestaltung, durch organische Bewegungen innerhalb des Blockes, durch Löcher, Ecken, Kanten.... Die jeweiligen Eigenschaften sind sehr präzise herausgearbeitet - es scheint kein Zuviel an Information zu geben - eher die größtmögliche Reduktion. Die Titel - ich glaube, es war „Offenhalten“ - verstand ich sowohl als Beschreibung der Objekte, die Öffnungen thematisieren, als auch als Aufforderung an den Betrachter. Am Ende des Abends hatte ich das Gefühl, an einer „Schulung des Sehens“ teilgenommen zu haben, durch die Arbeiten und die wenigen Worte der Künstlerin dazu. Mir waren ein bißchen mehr die Augen geöffnet worden für Qualitäten wie Materialeigenschaft oder Beziehungen zum Raum. Es faszinierte mich, wie unterschiedlich die Wirkung der verschiedenen Plastiken war und wie genau sie zu benennen sind. Diese Aufmerksamkeit für subtile Nuancen, die Ruhe und Stille, die dabei nötig ist, bereicherten mich für meinen eigenen Umgang mit Kunst.

Inzwischen sind 5 Jahre vergangen. Die Arbeiten wirken heute noch reduzierter auf mich, das Emotionale der früheren Plastiken scheint zurückgedrängt zugunsten einer verknappten, verdichteten Formensprache.

In neuester Zeit will Beate Hansen die erarbeitete Formensprache in neue Kontexte stellen. Sie reagiert auf architektonische Gegebenheiten, setzt ihre Arbeiten ein, um Besonderheiten des Raumes zu betonen, um

Verbindungen, Beziehungen untereinander und im Raum entstehen zu lassen. Mit ihren „Markierungen“ (so der Titel dieser Ausstellung) setzt sie kleine, aber entschiedene Zeichen, die einen weiterführen, die aufmerksam machen, die den Raum verändern. Ein Anliegen der Künstlerin ist es, Räume mit ihrer persönlichen Handschrift zu „besetzen“ oder zu „markieren“ und trotzdem eine Offenheit im Raum herzustellen. So verstehe ich es, daß die Arbeiten sich nicht aufdrängen, sondern viel Raum auch für den Betrachter lassen. Offenheit, Offenlassen, Zwischenräume, Schwebezustand sind wichtige Themen für die Künstlerin und ich finde es faszinierend, die Räume auf diese Themen zu untersuchen.

Die kompakte Raumsituation des Kunstvereins hat Beate Hansen aufgegriffen und durch ihre „Markierungen“ zusätzlich verdichtet.Die Atmosphäre in den drei kleinen Räumen wird von den jeweiligen Arbeiten bestimmt, während der große Raum bis auf kleine Hinweise auf umliegende Räume leer bleibt und für den Betrachter Raum läßt. Auf die große Bodenarbeit möchte ich näher eingehen: Eine rote Spur ist langsam, kontinuierlich ruhig und leicht aufgetragen, eine Arbeitsweise, die sich in den meisten Arbeiten wiederfinden läßt. Beim ersten Blick auf die Arbeit muß ich an Landschaft denken, an geologische Formationen, an Endmoränen. Gebilde, die in unendlich langsamen Prozessen der Evolution stetig sich entwickelt haben. Später sehe ich die rote Spur dann als pulsierende Linie, deren Rhythmus man folgen kann wie dem Rhythmus des eigenen Atems. Es bilden sich Räume, Zwischenräume. Innen und Außen sind ineinander verschlungen. Die Arbeit ist in einer bestimmten Lebenssituation entstanden, sie spiegelt einen Lebensausschnitt, der geprägt ist von konkreten Erlebnissen und Empfindungen. In ihren Arbeiten will die Künstlerin aber nicht zu persönlich sein, sie schafft Abstand, z.B. durch die streng geometrischen Grundformen oder durch die Wahl der neutralen Materialien Gips und Papier, sie klärt Emotionales, z.B. durch das konsequente Durcharbeiten von Formen.

Beate Hansen schafft Räume der Stille und der Konzentration, in denen die Betrachter Entdeckungen mit den Räumen und mit sich selber machen können. Ich wünsche Ihnen interessante Eindrücke!

Februar 1998 - Annette Angermann

Reflexion zu meiner Ausstellung „Markierungen“ im Kunstverein „Kaponier e.V.“, Vechta vom 06.02.-01.03.1998

Die Ausstellungsräume des Kunstvereins Vechta sind in einem ehemaligen Wachturm, dem „Kaponier“, untergebracht. Er wurde im Jahre 1705 als Gefängnis gebaut, wegen Flurstreitigkeiten wurde er zeitweise auch als Wachturm genutzt. Ein Ort für Kunstausstellungen ist er seit 1934. Heute liegt der Turm eingebettet in den Ortskern der norddeutschen Kleinstadt, umgeben von einer Parkplatzsituation. Es sind ein großer zentraler Raum und drei davon abgehende kleine Räume, mit kleinen Fensternischen in dicken Außen-wänden, die Ausblicke in drei Himmelsrichtungen geben.

Die kompakte Raumsituation in diesen drei kleinen Räumen habe ich aufgegriffen und mit plastischen Mitteln zusätzlich verdichtet:

In Raum 1 montierte ich etwa 10 cm unter Augenhöhe Wandobjekte, die ich mit verschieden grünen, organisch verlaufenden Linien bemalt hatte. Ebenso bemalte ich auch an einigen Stellen die Wände des Raumes in gleicher Höhe. Die Stimmung meiner Raumbearbeitung traf sich mit der Ausstrahlung des alten Bauwerks. Die Spannung bei dieser Herangehensweise entsteht, wenn beide Atmosphären sich öffnen und in Kontakt treten. (Die Wandobjekte, Querformat ca. 20 x 30 cm, sind aus 20 mm dicker Dämmplatte hergestellt, mit weißem Papier beschichtet, farblos leicht glänzend gewachst, mit grünen monochromen Linien in Acrylfarbe bemalt).

In Raum 2 korrespondierte eine 2,50 x 1,50 m große Bodenarbeit mit einer Buntstiftzeichnung an der Decke des Raumes. DIe Bodenarbeit bestand aus 15 einzelnen 50 x 50 cm großen Platten. Über die Holzmaserung der einzelnen Platten hin-weg lief eine hellrote 3 cm breite Buntstiftspur. Auch in diesem Raum entsprachen Farbgebung und Form der aufgetragenen Zeichnungen persönlichen Stimmungsbildern, in Form einer hinterlassenen Handschrift oder „Markierung“. (Bodenarbeit: 15 Platten, 50 x 50 cm, 12 mm Multiplex- auf 80 mm Dämmplatten aufgeleimt)

In Raum 4 setzte ich einen großen raumeinnehmenden Gipsquader mit einer von Hand aufgestrichenen Oberfläche so in den Raum, daß an drei Seiten der Plastik der gleiche Abstand zur Wand entstand. Der umlaufende Fußboden wurde zum Fries. (Gipsquader: 90 x 120 x 57 cm mit bewegter aufgestrichener Oberfläche) Der große zentrale Raum blieb leer. Wie in einem Inhaltsverzeichnis befanden sich an den Wänden kleine Hinweise auf die drei umliegenden Räume. Eine grüne Linie, die ein Zeichen ergab, eine rote Buntstiftspur, ein kleiner Gipsquader auf einem Sockel.

Mich interessierte besonders das Verhältnis zwischen dem „Besetzen“ eines Raumes mit einer Handschrift, die meine Gegenwart spiegelt, und dem „Öffnen“ von Räumen und Zwischenräumen. Trotz der Kompaktheit der plastischen Mittel in den drei kleinen Räumen vermittelte sich dort gleichzeitig eine Leichtigkeit. Bei der Umsetzungen von persönlicher Präsens in Bildsprache bleiben formale Festlegungen vorübergehend, Begriffe bewegen sich in der Schwebe.

Krefeld, März 1998 - Beate Hansen